Fallbeispiele zum AGG



Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) stammt vom August 2006 ( und wurde geändert im Dezember 2006 ). Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. ( §1 AGG ). Es verpflichtet den Arbeitgeber, alle erforderlichen Massnahmen zum Schutz der Mitarbeiter (m/w/d) vor Benachteiligungen zu ergreifen ( §12 ). Dazu zählen auch vorbeugende Massnahmen.
Der geschützte Personenkreis wird in §6 definiert. Zu ihnen zählen u.a. Arbeitnehmer, Azubis, Bewerber für eine Stelle und ausgeschiedene Mitarbeiter.

Das Gesetz unterscheidet bei der Ungleichbehandlung ( §3 ) zwischen der
- Unmittelbaren Benachteiligung ( dies ist ein zielgerichtetes Tun oder Unterlassen gegenüber einer Einzelperson )
- Mittelbaren Benachteiligung ( diese richtet sich gegen Personengruppen )
- Belästigung ( ein unerwünschtes Verhalten zum Zweck der Verletzung der Würde oder Schaffung eines arbeitsfeindlichen Umfelds durch mehrfache Handlungen )
- sexuellen Belästigung ( im Unterschied zur einfachen Belästigung genügt hier eine einmalige Handlung )


Soweit die Theorie. Doch wie sieht das ganze in der Praxis aus ? Hier dazu ein paar Fallbeispiele:

Fall 1:
Ein Mitarbeiter (m/w/d) bezeichnet seinen Kollegen immer als "Der Preiss von nehmdro" ( bayrisch für: "Der Preusse aus dem Nachbarbüro" ).
Dies stellt einen Verstoss gegen das AGG dar. ( Benachteiligung aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft ).
Massnahme:
Gemäss der europarechlichen Antirassismus-Richtlinie ( 2000/43/EG ) gibt es unterschiedliche menschliche Rassen nicht. Etwas gegensätzliches zu behaupten sei Rassismus. Die Richtlinie spricht allerdings nur von menschlichen Rassen. Dass unterschiedliche Rassen im Tierreich existieren wird nicht bestritten. Von dieser Richtlinie werden also keine Äusserungen erfasst, die ins Tierreich zielen. ( z.B. "blöde Henne" oder "damischer Uhu" ). Um den Vorwurf des Rassismus zu entkräften sollte der Mitarbeiter in Zukunft den Begriff "Sau-Preiss" verwenden.

Fall 2:
Ein Mitarbeiter tätschelt weiblichen Kolleginnen den Hintern ( oder umgekehrt ).
Dies stellt einen Verstoss gegen das AGG dar. ( Benachteiligung aufgrund des Geschlechts )
Massnahme:
Ein derartiges Verhalten darf der Arbeitgeber auf keinen Fall dulden. Er hat den Mitarbeiter sofort, am besten schriftlich und unter Fristsetzung aufzufordern, zukünftig allen Kolleginnen und Kollegen den Hintern zu tätscheln. Völlig unabhängig von der im §1 des Gesetzes genannten Gruppenzugehörigkeiten. Damit wird eine Ungleichbehandlung effektiv unterbunden.

Fall 3:
Ein Mitarbeiter beleidigt seinen Kollegen mit den Worten "Leck mich doch am Arsch !"
Dies kann einen Verstoss gegen das AGG darstellen, nämlich dann, wenn die geforderte Aktion der sexuellen Ausrichtung des Gegenübers ( oder der eigenen ) entspricht.
Massnahme:
Der Mitarbeiter sollte eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die obige Äusserung nur als Beleidigung gedacht war. Um seine Argumentation zu untermauern kann er weitere Beleidigungen äussern, den Kollegen am Kragen packen und aus dem Fenster halten oder ihm schlicht den Mülleimer über den Kopf stülpen. Hauptsache, die Aktion ist derart eindeutig, dass sie keinen Raum für weitere Fehlinterpretationen lässt.

Fall 4:
Auf einem Betriebsfest veranstaltet ein Unternehmen ein "Hau den Lukas"-Spiel. Für die kräftigsten Schläge gibt es kleine Preise.
Dies stellt einen Verstoss gegen das AGG dar, auch wenn es auf den ersten Blick so nicht zu erkennen ist.
Eines vorneweg: Für Mitarbeiter, die Lukas heissen, könnte dieses Betriebsfest ziemlich schmerzhaft werden. Allerdings stellt "Vorname = Lukas" kein nach §1 geschütztes Merkmal dar. Demnach scheidet eine unmittelbare Benachteiligung aus. Eine Belästigung ist es auch nicht, da dafür mehrfache Aktionen nötig wären. Und für eine sexuelle Belästigung fehlen die Voraussetzungen ( - ok, im Einzelfall vielleicht nicht ). Allerdings ist Lukas ein rein männlicher Vorname, so dass hier eine mittelbare Benachteiligung ( Personengruppe = männlich ) gegeben ist.
Massnahme:
Rechzeitig vor Beginn des Betriebsfestes hat der Arbeitgeber eine geeignete Anzahl weiblicher Mitarbeiterinnen aufzufordern ( schriftlich und mit Fristsetzung ), auf dem Standesamt eine Änderung des Vornamens in Lukas zu beantragen. ( Anm.: Dass hier nur weibliche Mitarbeiterinnen aufgefordert werden, ist nach §5 zulässig, da hier eine bestehende Benachteiligung abgebaut wird ). Gleiches gilt für alle anderen nach §1 unterscheidbaren Gruppen. Erst danach darf der Arbeitgeber das Spiel starten. Während der Durchführung hat er allerdings darauf zu achten, dass sich alle Gruppen gleichermassen am Spiel beteiligen können. Insbesondere müssen die Lukasse auch für Rollstuhlfahrer gut zu treffen sein. Sofern der Betrieb auch Blinde beschäftigt, haben sich die Lukasse in geeigneter Weise ihnen gegenüber bemerkbar zu machen. Nicht zuletzt muss den Lukassen ausreichend Zeit eingeräumt werden, sich selbst zu hauen.
Interessant könnte das Spiel vor allem dann werden, wenn der in Fall 2 genannte Mitarbeiter Lukas heisst.

Fall 5:
Der Schalterbeamte der xy-Bank kommt eines Tages in Frauenkleidern zum Dienst und erklärt, dass der zukünftig als Frau behandelt werden will. Der Filialleiter mahnt in daraufhin ab.
Die Abmahnung stellt einen Verstoss gegen das AGG dar ( Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität ).
Massnahme:
Gibt es keine, allerdings sollte der Schalterbeamte aufpassen, dass er nicht mit dem Mitarbeiter aus Fall 2 zusammen arbeiten muss.

Ich hoffe, aufgrund dieser Fallbeispiele sind die konkreten Anwendungsgebiete des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes klar geworden. Ich warte mit Spannung darauf, dass diese Massnahmen alle Erfolg haben und sehe gespannt den Ergebnissen entgegen: Der bekennende Nudist an der Supermarktkasse, ein Analphabet als Briefträger und der Stotterer an der 0900-Hotline. Bis es so weit ist, schau ich mir noch einen Film an: "Animal farm". Sie wissen ja, alle sind gleich.

 


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